“Das menschliche Leben ist nur ein Traum”

23. Juli 2024 I Aaron Schöndorf

Aufführung der Theatergruppe des Instituts für Germanistik an der JLU Gießen im Schlosshof Grünberg

Pressebericht der Gießener Allgemeinen Zeitung vom 20.07.2024

“Aller Welt Macht und Herrlichkeit ist nur ein Traum und Eitelkeit”. Auf diesen wohl noch heute gültigen Sinnspruch läuft das Stück hinaus, das die Theatergruppe des Instituts für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) in diesem Sommersemester aufführt. Die spielfreudige Gruppe unter Leitung der Germanistin Prof. Dr. Cora Dietl präsentiert den “Somnium vitae humanae” (Traum des menschlichen Lebens) von Ludwig Hollonius (1570-1621).
Die Premiere fand im Botanischen Garten in Gießen statt. Wie jedes Jahr bot die Theatergruppe auch ein Gastspiel im Innenhof des ehemaligen Antoniterklosters, dem “Schloss”, in Grünberg an. Die Aufführung fand am 13. Juli bei freiem Eintritt auf Einladung des Museum im Spital Grünberg statt und wurde vom Freundeskreis Museum Grünberg gefördert. 
Der aus Westfalen stammende lutherische Theologe Ludwig Hollonius war ab Ende des 16. Jahrhunderts als Pastor im Stettiner Raum tätig. Der “Somnium vitae humanae” aus dem Jahr 1605 ist sein zweites Theaterstück, das er in Pölitz (Pommern) auf die Bühne brachte. Gewidmet ist der Druck des Dramas Herzog Philipp von Pommern-Stettin, mit dem Hollonius in enger Verbindung stand. Die Komödie basiert auf einer in mehreren frühneuzeitlichen Chroniken überlieferten Anekdote über Herzog Philipp den Guten von Burgund (1396–1467). Darin heißt es, dieser habe eines Nachts einen Betrunkenen auf der Straße aufgelesen und in sein Bett legen lassen, um den Säufer am nächsten Tag als Fürsten behandeln zu lassen. Am Abend sei der Mann, wieder bis zur Besinnungslosigkeit betrunken, in seinen alten Kleidern an den ursprünglichen Auffindungsort gelegt worden.

Dies war für eine burleske Komödie ein bestens geeigneter Stoff. Doch Hollonius verzichtete aber auf die Möglichkeit, den ungeschickten “Herzog” Jan als tollpatschigen Fürsten auf die Bühne zu stellen und zu verlachen. Stattdessen nimmt er den Hof in den Blick. Nicht nur im Hinblick auf dessen Reaktion auf den Rollentausch, sondern auch bei Szenen aus dem alltäglichen Leben der Höflinge, in ihrer Interaktion untereinander oder mit Vertretern des Klerus, der Stadt- und der Landbevölkerung tun sich Abgründe auf. Der Adel und sämtliche anderen Stände präsentieren im Laufe der Handlung ihre Fehler sehr offen. Letztlich ist die Komödie eine Gesamtabrechnung mit einer in sich korrupten, selbstsüchtigen und dem Alkohol verfallenen Gesellschaft. Jan meint am Ende, dass er von seiner eintägigen Würde als Herzog nur geträumt habe. Aus seinem Experiment zieht Philipp den Schluss, dass das gesamte menschliche Leben letztlich doch nur ein Traum sei. Man dürfe sich nicht auf zeitliche, irdische Werte verlassen. Vor dem Angesicht der Ewigkeit wiegen freilich die Fehler der einzelnen Stände umso schwerer. Das Spiel ruft dazu auf, vom Ende her zu denken und das eigene Handeln rechtzeitig selbst zu beurteilen, bevor es der göttliche Richter tut. Mit dieser Erkenntnis bilden die moralisch-religiöse Botschaft und bissige Satire eine Einheit. Die generationen- und standesübergreifenden Aspekte kommen in der Aufführung durch die Gießener Studierenden gut zur Sprache und waren auch für das zahlreiche Grünberger Publikum nachdenkenswert.
Museumsleiterin Karin Bautz dankte Dietl und ihrer Theatergruppe für die beeindruckende Aufführung und Klaus Reith vom Vorstand des Freundeskreis Museum Grünberg überbrachte neben seinen Dankesworten noch eine Spende des Vereins.