Buchvorstellung: »Grünberg in der Zeit des Nationalsozialismus«

29. Oktober 2024 I Freundeskreis Museum

Lücke in Teilen geschlossen
Buchvorstellung: »Grünberg in der Zeit des Nationalsozialismus«

Bislang klaffte eine Lücke in der vielseitigen Geschichtsschreibung zu Grünberg, eine über die Zeit des Nationalsozialismus in der damals kleinen Stadt mit rund 2400 Einwohnern. Seit Kurzem ist diese in Teilen ge­schlossen. Renate Krauß-Pötz hat eine Chronik vorgelegt, die Informationen liefert zum Aufstieg der NSDAP, zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, zur Ankunft der Amerikaner im März 1945 in Grünberg. Der Freundeskreis Museum Grünberg hat die He­rausgabe übernommen, die Stiftungen E&E Rittmannsper­ger, Sparkasse Grünberg, Fa. Bender spendeten dafür.

Akten ausgewertet

Die Chronik basiert auf der Auswertung des Griinberger Anzeigers, damals eine Zei­tung, die an mehreren Tagen pro Woche erschien, ab 1933 unter der Kontrolle der NSDAP stand, sowie auf der Auswer­tung von Akten verschiedener Archive sowie einiger Fachlite­ratur.
Die Chronik dokumentiert, zitiert, enthält sich weitge­hend eigener Kommentare und malt ein Bild, was in der Stadt geschah, wie es sich dort lebte, wer Akteure, Verant­wortliche waren, wie sie kom­munizierten und vieles mehr.

Die Chronik lässt nachvoll­ziehen, wie die NS-Ideologie in die Bevölkerung eindrang, sie versuchte zu beherrschen. Bei­spielsweise über die »Gleich­schaltung« aller Vereine, sie mussten der NSDAP genehme Vorstände benennen oder wurden aufgelöst. Auch geht es um die Festnahme von Geg­nern, ihre Einlieferung in das KZ Osthofen. Die Gründung von NS-Organisationen für alle Bereiche des Lebens, auch Kul­tur und Soziales, auch für Ar­beitnehmer und Arbeitgeber. Die Pflichtmitgliedschaft in NS-Organisationen, zum Beispiel für die Jugend. Druck auf Menschen und Firmen, NS-Or­ganisationen beizutreten, zum Beispiel durch die Verweige­ rung von öffentlichen Aufträ­gen. Das Anbringen einer “roten Hausliste” an allen Wohn­häusern mit Informationen zur Mitgliedschaft der Bewoh­ner. Die Militarisierung des Alltags durch Luftschutzübun­gen ab 1933, durch Schulge­fechtsschießen, Manöver ab 1935.
Ab 1939, mit Kriegsbeginn, tauchten Fremd- und Zwangs­arbeiter auf, arbeiteten in Fir­men, im Forst, bei Landwirten, in Haushalten, mit weniger Rechten, geringerer Bezah­lung. Zeitweise waren es 320 Menschen.

Der Jugendschutz wurde ver­schärft durch Ausgangsverbo­te, Alkoholverbote. Zahlreich waren Veranstaltungen, Mär­sche, Kundgebungen, Sport­wettbewerbe. In den Schulräu­men hingen Hitlerbilder, Schulbücher wurden aussor­tiert, völkische Bücher tauch­ten auf, Lehrerinnen und Leh­rer benötigten den “Ariernach­weis”.

Ab 1933 wurde jüdischen Händlern der Zugang zum Gallusmarkt verweigert. Das Fi­nanzamt Grünberg, mit einem Bezirk von zuletzt 62 Orten, war an der Ausplünderung der Juden beteiligt, auch an der Verwertung von Hab und Gut, das sie zurücklassen mussten, als sie zur Fahrt in KZs “abge­holt” wurden.

Kleine Ausstellung

Karin Bautz, Leiterin des Mu­seums, Carmen Lange, Vorsit­zende des Freundeskreises, Ekart Rittmannsperger, Spon­sor und ehemaliges Mitglied des Freundeskreises, sowie der Gast Bürgermeister Marcel Schlosser bedankten sich für die Arbeit von Krauß-Pötz.
Bautz verwies auf deren klei­ne Ausstellung von Zeitungs­ausschnitten, Aushängen, die im Museum bis zum 10. No­vember gezeigt wird.
Lange hob hervor, dass das Dokumentarische und Lokale der Chronik zu Unterrichts­zwecken gut geeignet sei, dass sie die hohe Geschwindigkeit der Einflussnahme der NSDAP auf das Denken und Tun der Bevölkerung erstaunt habe, aber auch die hohe Zustim­mung von Grünbergerinnen und Grünbergern zur NSDAP bei Wahlen vor 1933.
Das Buch ist im Museum Grün­berg und in der Buchhandlung Grilnberg zum Preis von 19,50 Euro erhältlich

Karin Bautz, Marcel Schlosser, Renate Krauß-Pötz, Carmen Lange, und Ekart Rittmannsperger (v.l.) bei der Buchvorstellung. Foto: Renate Meinhardt

Quelle: Gießener Anzeiger Nr. 250 I Samstag, 26. Oktober 2024