Der Abriss des „Lutherhauses“

An was es letztlich lag, dass das Lutherhaus mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben war, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Ohne zu übertreiben, es war wohl eines der schönsten Häuser am Marktplatz und würde heute sicherlich einen markanten Punkt darstellen. Ende des 19. Jahrhunderts war der Verfall soweit fortgeschritten, dass ein Abbruch unumgänglich wurde, obwohl sich der Grünberger Baurat Diefenbach, ein Freund historischer Baudenkmäler, für die Erhaltung des Gebäudes heftig einsetzte. Als er mit einer Regierungskommission den Bau besichtigte, sprang er im zweiten Obergeschoß, „Sehn Se, meine Herrn, wie feste!“ rufend, mit beiden Füßen kräftig auf, brach durch die Decke und entschwand den Blicken der Kommissionsmitglieder in einer Wolke aus Lehmstaub. Glücklicherweise war das Stockwerk nicht sehr hoch, so dass er den Sturz offensichtlich ohne größere Blessuren überstand.

Zu diesem Zeitpunkt bezeichnete man den alten, baufällig gewordenen Fachwerkbau noch nach seiner letzten Besitzerin Anna Katharina Blöser, als das sogenannte „Blöser’sche Haus“. Aus den Ratsprotokollen der Stadt Grünberg geht hervor, dass das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts zum „Verkauf auf Abbruch“ ausgeschrieben war und „auf dem Wege der Submission vergeben werden sollte“. Das höchste Gebot reichte Heinrich Schmidt II aus Atzenhain mit 300 Mark ein. Der Rat beschloss daraufhin am 1. Mai 1891, diesem Gebot den Zuschlag und somit die Genehmigung zum Abbruch zu erteilen. In einem weiteren Dokument verpflichtete sich Heinrich Schmidt II, das „alte Blöser’sche Haus am Marktplatz […] bis zum 10. Juni dieses Jahres [1891] zu räumen“ und „bis auf [das] Fundament“ abzutragen. Am 10. September 1891 wird im Ratsprotokoll festgehalten, dass, „nachdem das Blöser’sche Haus niedergelegt ist“, das „in die Laufflucht fallende Gelände zur Staatsstraße verwendet werden“ soll. Das Gelände werde in staatlichen Besitz genommen, sobald der Kellerraum aufgebrochen und verfüllt sei. Die Stadt hatte dabei das zur Verbreiterung der Straße notwendige Material zu beschaffen und die aus der Pflasterung erwachsenden Kosten zu tragen. Der Abriss des „Blöser’schen Hauses“ muss den historischen Dokumenten zufolge zwischen Mai und September 1891 erfolgt sein. Das Abtragen und die Wiederherstellung des Geländes, das zwei Jahre später als „Blöser’scher Platz“ in den Akten erscheint, verlief allerdings nicht ganz zur Zufriedenheit des Großherzoglichen Kreisbauamtes zu Grünberg. Das Kreisbauamt monierte im April 1893, dass der Keller des „Blöser’schen Hauses“ nicht vollständig eingeschlagen und in der Folge auch nicht hinreichend verfüllt worden sei, und bittet die Stadt hierin um Nachbesserung. Die Abrissarbeiten bzw. Arbeiten zur Wiederherstellung des „Blöser’schen Platzes“ haben sich demzufolge über mehrere Jahre hingezogen.

Die letzte Besitzerin des „Blöser’schen Hauses“ bzw. des „Lutherhauses“, Anna Katharina Blöser, zog infolge des Abrisses des Gebäudes in die Marktgasse 3 um und verstarb 85-jährig am 14. März 1908.