Der „Grünberger Pfennig“

Ein Vortrag von Ekart Rittmannsperger zum Neujahrsempfang der Freundeskreis Museum Grünberg e.V am 13. Januar 2013 im Museum im Spital.

 

 Der Grünberger Pfennig auch Denar, Hohlpfennig oder Brakteat

 

Heute am 13-1-2013, einem ganz normalen Sonntag, sollte man meinen, möchte der Freundeskreis des Museums in Grünberg, ein kleines, geprägtes Stück Silberblech vorstellen, gut ½ Gramm schwer, das uns in die Anfänge der Stadt, vor fast 800 Jahren zurück bringt.

Vor 1835 hatte in nächster Nähe nur der Medizinalrat und Professor Dr. Nebel in Gießen, eine Grünberger Münze von Sophie und Heinrich I. dem Kind in seiner Sammlung und beschrieb sie auch im 1. Band des Archivs für hessische Geschichte und Altertumskunde. Als 1936 Walter Hävernick die älteren Münzen der Wetterau beschrieb, brachen in der Stadt die wildesten Gerüchte auf. Ein Grünberger Uhrmacher behauptete sogar, ein Vorfahre hätte den Prägestempel gesehen und dieser sollte bei der Burg gefunden worden sein.  Doch ich war mir sicher, dass in den letzten Jahren, keiner in der Stadt einen Grünberger Pfennig, geschweige denn einen Stempel in der Hand gehabt hat, das sich so nicht bewahrheiten sollte.  Seit heute sind wir in dem realen Besitz eines ersten Grünberger Pfennigs und jeder kann ihn von nun an, in unserem Museum im Spital bewundern.

Das Prägebild der Münze zeigt zwei Männer, hinter einer festen Mauer und mit zwei schützenden Bögen über ihren Köpfen.  Diese Darstellung ist mit seinen reduzierten Linien, fast modern aber doch sehr sorgfältig ausgearbeitet. Wenn man genau hinsieht, sieht man wie glücklich sie sind, nach fast 8oo Jahren, in der Stadt zu sein, in der ihr Abbild hergestellt worden ist.

Einer ist der Landgraf Hermann II, 1222 – 1241, rechtmäßiger Erbe von Thüringen, noch minderjährig im kindlichen Alter.  Sohn des Landgrafen Ludwig IV, 1200 – 1227, der vor seinem Kreuzzug ins Heilige Land, in Otranto in Apulien an einer Fiebererkrankung gestorben ist. Die Mutter Elisabeth, geborene Prinzessin von Ungarn, 1207 – 1231, die nach dem Tod ihres Mannes von der Wartburg vertrieben wurde und sich in Marburg, der Karitas verschrieb, ging als heilige Elisabeth in die Geschichte ein.

Der Andere ist Heinrich Raspe IV, 1204 – 1247, Vormund seines Neffen Hermann II und Regent der Landgrafschaft Thüringen. Böse Zungen sagten ihm nach, er wäre am frühen Tod von Herrmann II nicht unschuldig, auch sei ein ausgesprochener Machtmensch gewesen.  Seine Nähe zu dem Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation,  dem Staufer Friedrich II, der seinen Lebens-mittelpunkt in Sizilien hatte, brachte ihm und den deutschen Fürsten viel Freiraum in ihren Landen. Auch Heinrich Raspe nutzte das aus, suchte seine Macht zu festigen und wurde einer der Mächtigen im Reich. Er war dreimal verheiratet, doch alle Ehen blieben kinderlos.

Mit dem frühen Tod von Hermann II. und die Kinderlosigkeit von Heinrich Raspe IV. zerfiel das Landgrafenhaus Thüringen, der alte Teil mit der Wartburg bei Eisenach kam an Sachsen und zersplitterte, der westliche Teil wurde das neue Land Hessen.

 

Das Grünberger Umfeld um 1230

Die Burg und Stadt war eine planmäßige Gründung von Heinrich Raspes Onkel, Landgraf Ludwig III. von Thüringen auf fremdem Grund und Boden. Der Erzbischof von Mainz war der Grundherr, der auch die Lehenshoheit besaß. Darüber gab es viele Streitigkeiten, die erst nach 100 Jahren, zu den Gunsten des späteren Landes Hessen, entschieden wurden. Wichtig für die Thüringer war die Lage an der alten Heerstraße „durch die kurzen Hessen“  die das Rhein- Main Gebiet mit den thüringischen Landesteilen verband. Südlich, ab dem Hessenbrückenhammer begann das Reichsland, das durch die Ministerialen von Münzenberg verwaltet wurde, nördlich an der Brücke beim Hof Sorge, vor Burg-Gemünden, begann das Land der Grafen von Ziegenhain. Die anderen Landesteile des Gisonischen Erbes der Thüringer, liegen um Marburg und in dem nördlichen Teil des heutigen Landes Hessen, es war ein Flickenteppich, der mit anderen geistlichen und weltlichen Herrschaften durchzogen war.

 

Die Münze

Grünberg siegelt 1222 als Stadt, hat Zoll und Geleit und seit 1230 lässt sich die Münze in der Stadt gesichert nachweisen. Einen einzelnen Vornamen findet sich, es ist Konrad der Münzer. Heinrich Raspe IV. war die treibende Kraft, zeigte doch eine Münze, die durch viele Hände ging, damals wie heute, wer Herr im Lande war. Zu seiner Zeit war die Hauptmünze in Eisenach, in den westlichen Landesteilen von Thüringen gab es drei nördliche Münzstädte, die wichtigste war Marburg, später kamen Alsfeld und Frankenberg, die alle nach dem schweren Kölner oder Dortmunder Pfennig münzten, eine Mark oder Pfund, waren 234 bis 240 Gramm Silber, geteilt durch 144 Pfennige oder 12 Schillinge zu je 12 Pfennige. Die Mark und Schillinge waren  Zähleinheiten, die nicht geprägt wurden.

Anders im südlichen Grünberg, traditionell waren hier Münzen nach dem alten, karolingischen  Münzfuß im Gebrauch, wie auch in der Wetterau, es war der leichte Kölner Pfennig, die Mark Silber zu 240 Pfennig oder die Zähleinheit von 20 Schilling zu je 12 Pfennig.

Legt man unseren Pfennig auf die Goldwaage, bring er nur 0,5 Gramm, es war also vom Wert her,  ein halber oder kleiner Pfennig,  der lokal sehr gebräuchlich war. Anderswo teilte man oft die Pfennige in zwei Stücke, in dem man sie einfach durchschnitt, um den kleineren Wert zu bekommen, man nannte sie Hälblinge. Die Entscheidung  der Prägung von ca. 0.5 Gramm, war sehr vorausschauend, kam doch um 1275 ausgehend von Schwäbisch Hall, der Heller auf, der etwa dieses Gewicht hatte, zwei Heller gingen auf einen leichten und drei auf einen schweren Kölner Pfennig und nach 1275 wurde mit dem  Florentiner oder Goldgulden als große Münze, nach und nach die Zähleinheit der Mark ersetzt.

Verfolgt man die Biographien von Heinrich Raspe IV. und  Hermann II. dann ist unser Pfennig zwischen 1230 und 1239 entstanden. Ich würde diese Grünberger Prägung in das erste Drittel, also vor 1234 legen.

Dies wird durch zwei Münzfunde vor und um 1900 bestätigt. Der eine Fund von Großkrotzenburg am Main, mit einer  Anzahl von ca. 95 Münzen, enthielt unter Anderen, 54 Stück des kleinen Hochzeits-pfennigs von Kaiser Friedrichs  II. Sohn, König Heinrich VII. und seiner Frau Margaretha, Frankfurter Prägung, aus der Zeit um 1230, vergraben vor 1235 und auch 3 unserer Grünberger  Pfennige. Der zweite Fund, mit über 440 Münzen, der nicht genau dokumentiert und zerstreut wurde, von Schleusingen bei Hildburghausen in Thüringen, vergraben vor 1238, enthielt, neben anderen, eine unbekannte Anzahl  von unseren kleinen Grünberger Pfennigen.

Der Bestand der Grünberger Münze wird bis 1365 in der einschlägigen Literatur angegeben, wie es noch Prof. Dr. Heinrich Sprankel  vermutete. Doch das stimmt so nicht. Ab 1306 handelt es sich in den Urkunden um  den Schöffen Konrad Münzer, als Nachnamen und 1365 um eine Lagebezeichnung, am Haus Münzer. Die Münze wurde noch von den Gründern des Landes Hessen, Sophie von Brabant, der Schwester von Hermann II. und ihrem Sohn Heinrich I. genannt das Kind, wohl bis zum Ende der 70er Jahre des 13. Jahrhunderts betrieben. Aus dieser Zeit ist ein weiterer Grünberger Pfennig bekannt, der aber nach dem schweren, nordhessischen Münzfuß geprägt wurde.  Sophie und ihr Sohn Heinrich nutzten zwischen 1248 und 1265 besonders die Werbewirksamkeit des Geldes um ihren Machtanspruch zu festigen. Von ihnen wurden selbst in den kleinsten Städten ihres Herrschaftsgebiets Münzen geprägt, wie in Homberg an der Ohm oder Biedenkopf. Von diesem hatte die Sparkasse Grünberg 1985 und 1995 vergrößerte Nachbildungen prägen lassen.

Die Hohlpfennige waren lokale Münzen, die den täglichen Kleinbedarf in der Stadt und des Umlandes deckten, im ländlichen Bereich überwog aber noch der Tauschhandel. Dagegen war die spätere, beidseitig geprägte Münze, mit der Umschrift DE G …….. C , nach den schweren Fuß mit 0.65 Gramm für den Fernhandel bestimmt.  Größere Summen wie die Mark, war nur eine Gewichtsangabe in Silber und existierte als Münze nicht. So konnten neben den Münzen auch ein silberner Becher, zur Zahlung eines Kaufpreises dazu gelegt werden.

Die hier behandelten Münzstädte betreffen nur die Landgrafschaft Thüringen und das spätere Hessen. Natürlich gab es weitere, bedeutende und ältere Münzprägungen im heutigen Hessen, die der lokalen Herrschaft unterstand. Fulda, Hersfeld, Mainz und die freien Reichsstädte, wie Frankfurt, Friedberg oder Wetzlar, um nur die wichtigsten zu nennen.

Mit dem Aufkommen des neuen Hellers aus dem Süden, nach 1275, dürfte die Grünberger Münze ihre Tätigkeit eingestellt haben, es ist auch keine einzige Prägung eines Grünberger Hellers bekannt.

Alle Grünberger Prägungen gelten als sehr selten, bis vor dem zweiten Weltkrieg waren nur 6 Stück in verschiedenen, meist öffentlichen Sammlungen bekannt. Das hat sich heute etwas geändert, die Forschungen und Vergleichsmöglichkeiten werden genauer und aus alten, privaten Sammlungen tauchen vereinzelt unbekannte Exemplare auf, die erst jetzt als Grünberger Prägung erkannt werden.

 

Exkurs

Die Frankfurter Familien Grünberger, genannt Guldenlöwe, im Haus zum Cronberg, am Eck der Bendergasse und die nachfolgenden Familien Engeländer, genannt Guldenlöwe, auf dem Römerberg.

Im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts taucht in Frankfurt die Familie Grünberger auf, ab 1316 nennt sich der Claus Grünberger mit dem Zusatz Guldenlöwe, sie sind Goldschmiede und Münzmeister und Stempelschneider. Bis 1450 haben sie ihre Werkstatt im Haus Cronberg. Ab der nächsten Generation sind sie auf dem Römerberg, nennen sich Engeländer, genannt Guldenlöwe. Sie begleiten oft das Amt des Wardein, es bedeutet, sie hatten die Aufsicht über alle Münzen und dessen Feingehalt, die in der Stadt geprägt wurden. Peter  Guldenlöwe hat die Werkstatt vergrößert und hat sogar einen angestellten Graveur oder Stempelschneider, Fritz Reinmann, der 1422 für den Markgraf Friedrich von Brandenburg, Prägestempel für Gold- und Silbermünzen herstellt. 1511 erlässt die Stadt eine Goldschmiedeordnung, in der Hans Engeländer, genannt Guldenlöwe an zweiter Stelle, als Meister zeichnet.

Die Nachkommen des ersten greifbaren, Konrad des Münzers von Grünberg, waren somit bis zum Ausgang des Mittelalters an hervorragender Stelle, Goldschmiede, Stempelschneider, Münzmeister und Wardeine der Stadt Frankfurt. Sie lassen auch das Berufsbild der Grünberger Münzmeisters, wenn auch hier in bescheidenem Umfang, in einem neuen Licht erscheinen.

Der Pfennig stammt aus der großen Sammlung, Dr. med. Friedrich Bonhoff, Hamburg, die schon 1977 wissenschaftlich bearbeitet wurde, sie beinhaltete einen bedeutenden Anteil, von ca. 2500 mittelalterlichen Brakteaten und wurde in zwei Teilen von dem Auktionshaus Dr. Busso Peus Nachfolger, in Frankfurt, im November 2012 versteigert.

Ich möchte  Herrn Dr. Hans Peter Schlörb , Witten, für die Hinweise auf die bevorstehende Auktion,  dem Vorstand des Freundeskreises Museum Grünberg, für die schnelle Freigabe der finanziellen Mittel und unserm 2. Vorstand, Herrn Siegbert Damaschke, für die glückliche Hand bei der Auktion und Herrn Prof. Dr. Holger Gräf, für die Beschaffung wichtiger Literatur, im Namen des Vereins herzlich danken.

Hier sollten die Ausführungen enden, doch jetzt kommt der heutige 13. ins Spiel und offenbart einen Sachverhalt, den man so nicht glauben will und stellt alle unsere Bemühungen in Frage.

Von einem Bekannten wurde mir zu Weihnachten ein antiquarisches Buch von Grünberg geschenkt, in dem zufällig ein Zeitungsartikel, aus der Zeit kurz nach 1974 lag, mit der Überschrift, den Grünbergern gelang es „ihren“ Pfennig in Frankfurt zu ersteigern. In der Amtszeit des damaligen Bürgermeisters Gerulf Herzog, hatte unser Vorgängerverein, der Heimatkundliche Arbeitskreis, nach der 750 Jahrfeier der Stadt, erhebliche Anstrengungen unternommen, ein Exponat aus der Frühzeit Grünbergs zu erwerben. Prof. Dr. Heinrich Sprankel und Hermann Stika erarbeiteten eine Abhandlung über den Pfennig, nach dem damaligen Wissensstand. Das Original sollte in einem Tresor aufbewahrt werden. Erhard Zimmer ließ sogar vergrößerte Nachbildungen aus Zinn herstellen und der Schlusssatz des Artikels lautete: Bürgermeister Gerulf Herzog freut sich besonders über den Erwerb dieser Münze, zeugt sie doch von der hervorragenden Stellung Grünbergs als Handelsstadt des Mittelalters in der Landgrafschaft Hessen – Thüringen. Später einmal, so erklärte er, solle die Münze im Stadtmuseum ausgestellt werden.

Der Pfennig wurde so gut eingeschlossen, dass er in Vergessenheit geriet, selbst dem Nachfolger Siegbert Damaschke war dieser Vorgang schon 1980 nicht mehr bekannt.

Ideen und besonders private und auswärtige öffentliche Leihgeber und Ankäufe des Freundeskreises, haben das Museum zu dem gemacht, was es heute ist. Würde eine Inventarliste des städtischen Tresors bestehen, hätten die Verantwortlichen der Stadt, die beauftragte Museumsleiterin, Frau Bautz beauftragen können, ihre „geheimen“  Bestände zu durchforsten um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er hat übrigens nichts mit der späteren Nachprägung der Sparkasse zu tun. Sollte sich der Pfennig wieder finden, könnte er dem jetzt mühsam erworbenen, im Museum Gesellschaft leisten.

Vorsorglich möchte ich noch auf die, unter Bürgermeister Siegbert Damaschke, erworbenen ersten Lutherdrucke, von dem aus Grünberg stammenden Drucker, Johannes Rhau in Wittenberg verweisen, dass sie nicht auch im Tresor vergessen werden, sondern zur bevorstehenden 500 Jahrfeier des Anschlags der Thesen des Reformators, in unserem Museum zu sehen sind und bearbeitet werden.

Was nicht bekannt gemacht und verschlossen wird, hat keinen Wert für die Bürger und wird schnell vergessen, das sollte auch den städtischen Gremien zu denken geben.

Ekart Rittmannsperger, im Dezember 2012